Von einer W-undervollen Wanderung in Chile mit vielen AHA-Momenten

„Warum sollte ich an einem Tag den Weg hin und am nächsten Tag die gleiche Strecke wieder zurücklaufen?“ diese Frage stellte ich mir an meinem ersten Aufenthaltstag in Puerto Natales. Ich hatte von anderen Backpackern von dem wundervollen Trekking im Torres del Paine-Nationalpark gehört und dass es sehr empfehlenswert sei, diese 4-Tages-Wanderung zu unternehmen. Was ich aber anfangs noch nicht wusste, war, dass man am unteren Ende des linken W-Bogens die Wanderung startet, um am ersten Tag nach oben zu gehen und am 2. Tag der Wanderung dann wieder zurück und weiter bis man zum mittleren Punkt des Ws gelangt.

AHA.

Damit hatte ich meine Antwort gefunden und ich sage dir, die erste Strecke zum Grey Gletscher zu laufen, ist absolut lohnenswert und der Anblick des Gletschers einfach wundervoll!

Ich verzichte hier bewusst darauf, dir genau zu erklären, wie du von A nach B kommst und was du zur Vorbereitung beachten solltest. Das haben schon so viele Reiseblogger vor mir getan. Schau dafür einfach mal hier rein. Mir geht es vielmehr darum, dir diese Wanderung mit allen 5 Sinnen näher zu bringen, gerade jetzt wo man nicht reisen kann…

Inhaltsverzeichnis

1.Tag: Start des W-Trekkings

2.Tag: Campamento Grey – Campamento Italiano

3.Tag: Campamento Italiano – Campamento Torres

4.Tag: Aufstieg zu den Torres-Felsnadeln

Stell dir also vor, du hast einen 55-Liter-Rucksack auf den Schultern, trägst ein Funktionsshirt, eine langärmlige Wanderbluse bzw. ein -hemd, eine Fleecejacke und eine wind- und wasserabweisende Jacke. Ach, ja, und natürlich noch eine Hose, Socken und Schuhe! Eine bequeme Trekkinghose und hoffentlich eingelaufene Wanderschuhe (wobei, wie sich später herausstellt, dass nicht immer der Garant für unversehrte Füße ist). Du bist sehr aufgeregt, denn zum ersten Mal auf deiner 5-monatigen Reise durch Südamerika musst du all deine Verpflegung und deine Übernachtungsmöglichkeit (Zelt und Schlafsack) mit dir herumtragen. Bisher haben das in Peru auf dem Inka Trail die Träger für dich gemacht und auf den anderen Wanderungen war es nicht nötig, weil das Tages-Touren waren. Du fragst dich schon ein bisschen, warum du dich dafür entschieden hast einen 13 kg- bzw. 15 kg schweren Rucksack (mit Zelt, das trägst du abwechselnd mit deiner Zeltnachbarin Eva) 4 Tage lang durch den Süden Chiles zu schleppen, aber die Neugier überwiegt und die Abenteuerlust lässt dich zusammen mit 3 Spaniern, die du in deiner Couchsurfing-Unterkunft kennen gelernt hast, losziehen.

1.Tag: Start des W-Trekkings

7.30 Uhr geht es mit einem Bus, der täglich Touristen in den Nationalpark Torres del Paine bringt, los und nach ungefähr zwei Stunden kommst du zusammen mit Wanderern aus aller Welt an der Laguna Amarga (Bitterer See) an. Dort musst du in einen anderen Bus umsteigen und anschließend noch mit einem Katamaran einen See überqueren. Gegen 13 Uhr hast du schließlich zusammen mit den 3 Spaniern den Ausgangspunkt der Wanderung erreicht. Die Fahrt über den See war ziemlich frisch, sodass du sowohl die Kapuze deiner Fleecejacke als auch deiner Jacke über den Kopf ziehen musstest. Nun aber ist es angenehm ohne Jacke zu laufen, denn auf den 11 Kilometern entlang der Seen, Laguna Los Patos und Lago Grey, bis zum Campingplatz, Campamento Grey kommst du auch ab und zu ins Schwitzen. Du wanderst auf Pfaden, die von Heidekraut und Sträuchern gesäumt werden. Die Bäume sind alle nicht sehr hochgewachsen. Das ist sicherlich dem rauen Klima geschuldet, was hier außerhalb der Sommermonate (Südhalbkugel! Dez-März) herrscht. In der Sonne schimmert der Lago Grey wie auf einer Postkarte und im Hintergrund kannst du bereits den Gletscher erkennen, der sehr beeindruckend aussieht.

In der Nähe des Gletschers auf dem Campingplatz baust du zusammen mit Eva dein Zelt auf. Nachdem dies steht, lässt du deinen Rucksack stehen und wanderst noch eine weitere Stunde, um näher an den Grey Gletscher heranzukommen. Und es lohnt sich wirklich. Es ist diese magische eisblaue Farbe, die dich fesselt und fasziniert. Von weiter weg sieht der Gletscher mit seiner Wellenform und den dreckigen Spitzen fast ein bisschen aus wie ein Kuchen mit einer Baiser-Schicht obendrauf. Oh, dein Magen grummelt. Nun solltest du langsam zurück zum Zelt gehen und dir noch etwas zu essen genehmigen, bevor es morgen auf eine anspruchsvolle Tour bis zum Campamento Italiano geht.  Zum Abendessen gibt es Kräcker, Brötchen, Obst und den Inhalt einer Thunfischdose. Zusammen mit den Spaniern hattest du dich gegen einen schweren und vor allem kostspieligen Campingkocher entschieden und so muss es nun eben mit kalten Speisen gehen. Am ersten Abend schmeckt dir das Essen, du genießt dein Mahl in der Natur bei frischer Luft und in guter Gesellschaft… und welch positiver Nebeneffekt: der Rucksack ist auch etwas leichter geworden!

2.Tag: Campamento Grey – Campamento Italiano

Am nächsten Morgen wirst du mit Regen begrüßt! „Nicht so schön“ denkst du dir, als du 6.45 Uhr (und nicht 6 Uhr, wie geplant, wegen des Regens) aus dem Zelt blickst. Und dann macht dir noch der Gedanke zu schaffen, dass du heute dran bist, das Zelt zu tragen. Das bedeutet 15 kg auf deinem Rücken. Als Frau und ungeübte Trägerin mit zusätzlichen Schulter- und Nackenschmerzen eine echte Herausforderung, aber komm schon! „Du hast dich dafür entschieden, nun überwinde dich!“ hörst du deine innere Stimme. Und wie erwartet, lohnt sich auch diesmal das Durchhalten, denn zusammen mit deinen 3 spanischen Wander-Freunden läufst du zurück zum Ausgangspunkt (11 km) und weiter bis zum nächsten Campingplatz, dem Campamento Italiano (7,6 km) … vorbei an wundervollen Seen und bezaubernden Landschaften. Die Luft fühlt sich mild an. Du bist froh hier zu sein und genießt den Augenblick!!

Und dann hörst du es von fern rauschen. Je weiter du läufst, desto lauter wird das Rauschen des Flusses, der aus dem Valle Frances direkt am Campamento Italiano vorbeifließt… „Sie haben es hier mit europäischen Ländern,“ denkst du dir und tatsächlich stammen sehr viele Argentinier und Chilenen von ausgewanderten Europäern ab. Kein Wunder also die Namensgebung. Doch nun zurück zum rauschenden Fluss. Er ist eiskalt, wildromantisch… und du kannst dich hier ein wenig erfrischen, nach einer 5,5-stündigen Wanderung. Eigentlich ist der Campingplatz derzeit geschlossen, weil die Toiletten nicht funktionieren, aber wenn man spät ankommt, kann man zelten und so bist du froh, dein Zelt in der Nähe des wunderschönen Flusses aufbauen zu dürfen.

Die Spanier haben noch nicht genug vom Wandern und laufen noch weiter hoch das Tal Frances hinauf bis zum Aussichtspunkt. „Respekt,“ denkst du anerkennend, „ich bleibe mit meinen Blasen an den Fersen lieber hier und ruhe mich für den anspruchsvollen 3. Tag aus.“ Gegen 19 Uhr sind die Spanier wieder zurück und du machst zusammen mit ihnen ein gemeinsames Abendessen. Leider fällt das wieder kalt aus und gerade heute ärgerst du dich sehr darüber, denn es ist kühl und ihr seid die Einzigen, die keinen Gaskocher dabeihaben.

AHA.

Ein Campingkocher ist bei einer Wanderung gold-wert. Du kannst damit Tee oder Tütensuppen kochen und etwas Warmes im Magen fühlt sich immer super an! So gibt es statt einer dampfenden Suppe leider nur kaltes, krümeliges Fleisch aus der Dose und ein paar salzige Kräcker dazu. Da es ziemlich kühl ist, gehst du schon kurz nach 20 Uhr schlafen.

3.Tag: Campamento Italiano – Campamento Torres

Sonniger Morgen am 3. Tag

Der Weg ist wunderschön. Du läufst entlang vom Lago Nordenskjöld (so wie am Vortag) und vorbei an der Laguna Inge. Die Sonne wechselt sich regelmäßig mit den Wolken ab und es entsteht dabei immer wieder eine besondere Stimmung.

Gegen 12.45 Uhr erreichst du das Zwischenziel, Campamento Chileno, wo es ein Restaurant gibt und du dir einen schmackhaften heißen Tee gönnst.

AHA.

Wie wunderbar es sich anfühlt einen einfachen Kräutertee genießen zu dürfen, merkst du erst, wenn du lange Zeit darauf verzichten musstest (bei kühlen Temperaturen unterwegs warst und dein Verlangen nach etwas Heißem – zu essen oder zu trinken, ganz egal, Hauptsache heiß – von Tag zu Tag immer größer wurde). Nach einer zweistündigen Pause läufst du mit Eva weiter. Die Männer spielen noch ein bisschen Karten. Es geht in 65 Minuten hinauf bis zum nächsten Campingplatz. Dort angekommen, baust du dein Zelt auf, um am nächsten Morgen sehr zeitig aufzustehen und den Sonnenaufgang an den Felsnadeln des Torres-Massivs zu beobachten.

4.Tag: Aufstieg zu den Torres-Felsnadeln

Um 4.45 Uhr klingelt dein Wecker und du quälst dich aus deinem Schlafsack. Noch bevor der Wecker klingelte, warst du wach, denn deine Blase am rechten Fuß hat sich mit Eiter gefüllt und schmerzt unglaublich. „Das darf wirklich nicht wahr sein,“ denkst du dir „so kurz vor dem Ziel, das Torres del Paine-Massiv zu sehen und dann macht mir so eine dumme Blase zu schaffen!“ Du überlegst hin und her. Selbstverständlich willst du die Felsnadeln sehen, aber mit so großen Schmerzen an der Ferse, fragst du dich, ob du es überhaupt bis oben schaffen wirst. Du entscheidest dich schließlich die Blase mit einer Sicherheitsnadel aufzustechen, obwohl das sicherlich nicht die beste Lösung ist. Aber was bleibt dir übrig. „Positiv denken, das wird schon!“ sagst du dir immer wieder in Gedanken. Der Anstieg ist hart und schmerzhaft. Du läufst zusammen mit den 3 Spaniern im Dunkeln ca. 45 Minuten immer bergauf. Die Kopflampen beleuchten den Weg und geistern wie Irrlichter über das Geröll, wenn mal einer der vielen Wanderer, die sich früh morgens auf den Weg gemacht haben, um die Felsnadeln zu sehen, den Kopf hebt und versucht etwas zu erkennen. Zum Glück siehst du den Weg immer nur wenige Meter vor dir und weißt nicht, was dich erwartet, sonst hättest du dich vermutlich 4.45Uhr beim Wecker klingeln gleich wieder in deinen Schlafsack verkrochen.

AHA.

Manchmal, oder eigentlich immer, geht es darum loszugehen, anzufangen, in die Gänge zu kommen und dabei tut es gut, nicht den ganzen Weg schon vor sich zu sehen. Oft ist der Weg das Ziel. Hier in diesem Fall, sind die Felsnadeln dein Ziel und dennoch, musst du einen Fuß vor den Anderen setzen, um Stück für Stück immer höher zu kommen und dass trotz großer Schmerzen. Ob es sich lohnt? Bestimmt!

Start zu den Torres-Felsnadeln

Oben weht ein rauer Wind und alle müssen sich einen windgeschützten Ort suchen, um den Sonnenaufgang beobachten zu können. Gegen 6.25 Uhr ist es dann endlich so weit. Die Dunkelheit weicht und die Sonne taucht die Felsnadeln in einen roten Schimmer. Später wechseln die Farben ins Orange und schließlich ins Gelb und Weiß-Gelb. Es ist einfach fantastisch und unbeschreiblich schön! All die Mühe hat sich absolut gelohnt und die Strapazen, die du auf dich genommen hast, sind auf einmal wie vergessen. Welch großartiges Naturschauspiel und welch großartige Sicht! In den Bergen herrscht nicht immer tolles Wetter, da muss man schon etwas Glück haben. Und das hast du!

Gegen 7.15 Uhr läufst du zusammen mit deinen spanischen Freunden zurück zum Campingplatz, um die Zelte abzubauen und anschließend geht es ca. zwei Stunden bis hinunter ins Tal, wo du einige Stunden später den Bus besteigst, der dich zurück nach Puerto Natales bringt.

Eine Wanderung voller Höhen und Tiefen liegt hinter dir. Du bist glücklich, geschafft, begeistert und einfach nur dankbar für die wundervollen Naturerlebnisse der letzten 4 Tage.


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