Eine Gedankenreise der etwas anderen Art…

Stell dir vor, du willst früh morgens 6.30 Uhr mit dem Bus zur Arbeit fahren (ein Auto besitzt du nicht). Du kannst aber auch ein Großraumtaxi nehmen, welches allerdings nicht nur 12 Personen, wie vorgesehen, befördert, sondern mindestens 13-15 Personen. Das passt schon. Ein bisschen zusammenrutschen. „Nun kommen Sie schon…ich muss auch zur Arbeit. Rutschen Sie bitte ein wenig“…wenn du so eine freundliche Bitte hörst, kannst du doch sicherlich nicht wie angewurzelt sitzen bleiben und den hochmotivierten Mitbürger am Straßenrand stehen lassen. Oder? Na siehst du… Also springt dieser junge Typ mit recht fettigem Haar und einer relativ starken Note nach Schweiß  und Dingen, die du nicht so recht identifizieren kannst, auch noch ein, während sich das Gefährt im Schritttempo weiterbewegt. Übrigens ruft ein Junge im Alter von 12 Jahren, am Eingang der Schiebetür stehend (Tür ist offen!) „Mitfahrgelegenheit für nur 0,25 Cent, steigen Sie ein. Wir fahren gleich los“ Du liest richtig! Der 12-jährige Junge arbeitet zusammen mit seinem Vater oder Onkel, der das Großraumtaxi fährt. Zusammen befördern sie täglich hunderte von Leuten.

Nun noch eine kurze Beschreibung des Großraumtaxis, welches in Wirklichkeit ein ausgedienter Nissan- oder Toyota-Bus ist. Die Sitze sind von Flecken übersät und die meisten haben bereits Risse und das Futter schaut raus. Gurte zum Anschnallen existieren keine. Wenn der Fahrer mal stark bremst, was durchaus vokommt, dann musst du dich einfach gut am Sitz des Vordermanns festhalten. Deine Knie stoßen sowieso am Vordersitz an. Die bremsen dich dann noch zusätzlich ab. So kannst du ganz unbesorgt die Fahrt zur Arbeit genießen.

Aber halt, warum fährt der Fahrer denn eigentlich bei „Rot“ über die Ampel und wird daraufhin von der Seite von drei auf ihn zukommenden weiteren Minibussen angehupt? Zum Glück sitzt du nicht auf der Seite, von der die anderen Kleinbusse angefahren kommen, sonst hättest du vermutlich schon längst einen Herzinfarkt erlitten … aber NEIN! Du bist das ja schließlich gewohnt. Tagein, tagaus fährst du mit diesen Minibussen, weil sie neben den großen Bussen die Hauptverkehrsmittel darstellen. Zurück zum Thema: Warum fährt der Fahrer bei „Rot“ über die Ampel? Nun ja, hier scheinen andere Regeln zu herrschen…vielleicht die des Stärkeren, oder des Waghalsigeren, oder? Wo kein Kläger, da kein Richter!! Diesen Satz kann man wohl auch für die Ausstattung und die Sicherheit des Autos anwenden. Denn wer hätte es gedacht, die Tacho-Nadel zeigt konstant „0“ an, obwohl du gerade im Minibus beachtlich schnell den Berg hinuntersaust. Ok, ich gebe zu, es sind keine 100 km/h wie in Deutschland. Dafür sind die Straßen eh zu schlecht und das geben diese alten Autos auch längst nicht mehr her.

A propos Straße … diese kann hier tatsächlich als Straße bezeichnet werden, denn sie ist asphaltiert und man sieht auch ab und zu Begrenzungslinien. Straßenschilder kommen auch ab und zu vor. Der Asphalt ist mit dem in Deutschland nicht zu vergleichen, daher müssen die Minibusse auch ständig eine Art „Spießrutenlauf“ fahren, um den größten Schlaglöchern wenigstens auszuweichen und nur die kleineren mitzunehmen. Aber es ist immerhin eine Straße und keine Schotterpiste, die einen so im Auto durchschüttelt, dass man glaubt sich in einer Waschmaschine im Schleudergang zu befinden.

Aber nun wieder zurück zu unserer beschwingten Fahrt ins Tal…

Bloß gut, dass die Räder hier etwas langsamer rollen, denn es geht in steile Kurven und vor dir wechseln ständig unterschiedliche Minibusse von der linken auf die rechte Spur und wieder zurück. Es wird gehupt und versucht, die eben frei gewordene Lücke als Erster zu erwischen, um gefühlte 10 Meter gutzumachen. Auf einmal ruft ein Mitfahrer hinter dir „Bitte aussteigen an der Ecke da vorn.“ Der Fahrer bremst etwas abrupt, um gerade noch so auf die rechte Spur zu wechseln und schließlich nach 50 Metern zum Stehen zu kommen. Ein lautes Hupen und Gestikulieren in den vorbeifahrenden Minibussen… Der Mitfahrer steigt aus, wobei er sich an den vor ihm Sitzenden vorbeischlängeln und schließlich noch einen Mitfahrenden bitten muss, aufzustehen, weil dieser direkt vor dem Ausgang hockt. „Danke und Tschüss!“ Die Fahrt geht weiter. Zumindest noch 5 Minuten lang, dann staut es sich. Nach ca. 50 Minuten bist du endlich an dem Ort angekommen, von dem du weißt, dass an diesem die Minibusse halten, die dich an dein Ziel, deinen Arbeitsplatz, bringen werden. Du siehst einige Minibusse vorbeifahren, aber auf den Schildern, die hinter der Frontscheibe angebracht sind, steht nicht der Ort drauf, an den du gebracht werden möchtest. Du wartest und wartest…. Es vergehen 20 Minuten bis endlich das erwünschte Großraum-Taxi vorbeikommt, welches du durch ein Handzeichen zum Anhalten bittest. Du steigst ein und quetschst dich auf den einen freien Platz hinten rechts in der Ecke. Puuhh, du bist schon ein wenig genervt, aber was soll es. So ist das hier nun mal….

„Wo ist denn hier?“, fragst du dich jetzt wahrscheinlich.

Hier ist in El Alto, Bolivien. Du bist Einwohner der zweitgrößten Stadt Boliviens, die auf dem Altiplano auf einer Höhe von ca. 4000 m liegt. Sie grenzt an La Paz, den höchst gelegenen Regierungssitz der Welt. In diesem Talkessel (ca. 3600 m) arbeitest du und musst täglich am Morgen den Weg von El Alto hinab nach La Paz und am frühen Abend wieder hinauf antreten. Du bist zum Glück ein recht geduldiger Typ, sonst wärst du wahrscheinlich schon längst ausgewandert…

Kurzer Nachtrag: Ich habe 2008/2009 in El Alto, Bolivien 4 Monate lang auf einem sozialen Projekt mit Kindern aus sehr armen Verhältnissen gearbeitet. Zusammen mit drei weiteren Freiwilligen habe ich die Kinder beim Erledigen der Hausaufgaben unterstützt und ihnen Nachhilfe gegeben. Der wichtigste Teil unsrer Arbeit war allerdings das Angebot von Freizeitmöglichkeiten, wie z.B. Fußball, Volleyball, Flötenunterricht, Ernährungskurs und zu besonderen Anlässen die Gestaltung von Festen. Leider musste das Projekt ein paar Jahre nachdem ich dort tätig war aus privaten Gründen beendet werden. Für mich war es eine sehr intensive Zeit, in der ich die Annehmlichkeiten, die wir (fast) alle in Deutschland genießen dürfen, sehr zu schätzen lernte…darüber werde ich ein anderes Mal in einem Artikel berichten…


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